Via degli Inglesi am Pizzo Badile

Eine Route, die das Potential hat, ein Extremklassiker zu werden.

Marcel Schenk

Nach 15 Stunden öffnen wir mit Freude die Tür der Biwak Schachtel auf dem Gipfel des Pizzo Badile. Für uns ist es wie eine Oase und die ganze Anspannung der letzten Stunden fällt ab. Ich stelle mir die unglaubliche Leistung vor welche Zuzanna Hofmannovà und Alena Stehlikova bei der ersten Winterbegehung vom 11.-15.2.1982 vollbracht haben. Fünf Tage und vier Nächte in der Route, wo es nicht mehr als zwei halbwegs bequeme Biwakplätze gibt. Nach einer Stärkung legen wir uns hin und der Tag geht nochmals in Gedanken an uns vorbei, so als wäre es ein Traum gewesen.

Zwei Tage davor treffe ich Simone Porta in Tirano. Nach einer kurzen Autofahrt und einem Kaffee in der Bar Monica bereiten wir unser Material im Bagni di Masino vor. Wir haben uns entschieden die Tour von der Südseite anzugehen und tragen alles Material das Val Porcelizzo Richtung Gianetti Hütte hoch. Nach rund eineinhalb Stunden können wir die Skier Anziehen und der Aufstieg geht um einiges leichter weiter.

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Auf der Gianetti angekommen deponieren wir einige Dinge und steigen weiter zum Colle Cengalo auf. Dort oben können wir das erste Mal die Wand einsehen und deponieren das Klettermaterial.

Mit den Skiern sind wir schnell wieder zurück bei der Gianetti Hütte, wobei die Abfahrt mit dem wenigen Schnee schon fast einem Slalom gleicht.

Die Nacht im Winterraum der Gianetti ist angenehm frisch. So friert zum Beispiel verschüttetes Wasser vom Kocher innert Sekunden auf dem Boden. Auch deswegen freuen wir uns am nächsten Tag um 5 Uhr wieder starten zu dürfen.

Zurück auf dem Colle Cengalo rüsten wir uns aus und starten bei totaler Finsternis den Abstieg im Couloir. Es geht sehr gut und wir erreichen ohne grosse Schwierigkeiten den Einstieg. Es geht los und wir realisieren bereits in der ersten Seillänge, dass es einen intensiven Tag geben wird.

Fünf fantastische Seillängen bringen uns dann an den Fuss der Headwall und Simone meint. „Es würde sich schon lohnen wieder mal zu kommen um nur diese fünf ersten Seillängen zu kletterten und dann wieder abzuseilen“.

Wir sind hoch motiviert und starten mit den ersten steilen Seillängen. Die Wegfindung stellt in diesem Abschnitt der Wand kein Problem dar. Die Kletterei ist anhaltend athletisch, die Hooks immer gut und die Absicherung nie heikel.

Nach drei schon ziemlich anhaltenden Seillängen erreichen wir den Stand auf der kleinen Kanzel wenige Meter unterhalb der grossen Verschneidung. Hier zu biwakieren wäre nicht gemütlich. Dies kommt für uns auch nicht in Frage, da wir nur das Minimum an Ausrüstung dafür dabei haben und die Biwak Schachtel auf dem Gipfel das klare Ziel ist.

Mit der Verschneidung wird die Wand auch nochmals steiler und die Kletterei noch anspruchsvoller. Die Pickel finden praktisch immer beste Hooks in der Verschneidung, für die Füsse ist es jedoch deutlich anspruchsvoller guten Halt zu finden.
Die drei Seillängen in der Verschneidung fordern uns und zehren an den Kräften.

Es ist schon 16 Uhr als ich am Stand unter dem grossen Dach bin und Simone die exponierte Querung in Angriff nimmt. Nachdem er einen grossen Schneepfropf entfernen konnte, kann er am Ende der Traverse einen Hängestand einrichten und ich folge ihm so schnell wie möglich. Vor uns liegt noch die letzte schwierige Seillänge.

Nach ein paar Startschwierigkeiten komme ich auch wieder in einen guten Kletterfluss und fühle mich unheimlich erleichtert im letzten Licht der Dämmerung den Standplatz im leichteren Gelände einzurichten.
Simone klettert die Seillänge ohne Stirnlampe rasch nach.

Nun gilt es wieder mal etwas zu trinken und zu essen. Denn dies ist in den letzten 6 Stunden in der absoluten Vertikale beinahe vergessen gegangen. Die traumhafte Abendstimmung hat der Nacht definitiv Platz gemacht und für uns heisst es den Gipfel zu erreichen. Simone spurt im zum Teil hüfthohen Schnee Richtung Grat und kurz vor 20 Uhr erreichen wir die Biwakschachtel. Dank der Schaufel beim Eingang ist dieser schnell ausgegraben und offen.
Jetzt noch die Steigeisen vor der Türe ausziehen und rein in die gute Stube.

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Dank der Biwakschachtel hatten wir eine sehr erholsame Nacht und konnten am nächsten Tag den Abstieg zurück in die Zivilisation in Angriff nehmen.

Um die Mittagszeit genossen wir ein köstliches Bier, Kaffee und Snack in der Bar Monica in San Martino.
Danke Simone für dieses fantastische Abenteuer so nah bei uns zuhause 😉

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Via degli Inglesi

Weitere Impressionen der Begehung der Via degli inglesi von Mäse und Simone findest du auf unserem Instagram Kanal:

Publish date:
Februar 8, 2023
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