Den ganzen Sommer über habe ich den Ruf des Pizzo Badile gehört. Bis jetzt hatte ich ihn immer irgendwie ignoriert, und vor diesem Sommer war ich noch nie dort gewesen. Ich wollte nicht! Denn, obwohl der Berg praktisch hinter meinem Haus liegt, muss er eine ganz besondere Bedeutung für mich gehabt haben.
Keschnadel Überschreitung zum Piz Kesch
Alpine Kletterei am sonnigen Ost-Pfeiler
Bericht von Ivo Becker (Go Vertical Ambassador)
Ich vermute, dass die Herzen aller Alpinisten höherschlagen, wenn sie sich ausmalen, wie sie bei Sonnenaufgang auf einem nach Osten ausgerichteten Felsgrat stehen, bereit, einen majestätischen Berg aus kompaktem Gestein zu erklimmen. Schon der Aufstieg bis zum Bergsattel fordert seinen Tribut an Energie, doch sobald die zarte Wärme der ersten Sonnenstrahlen die Haut berührt, verblassen alle Mühen wie im Nichts. Jedes Anzeichen von Ermüdung verflüchtigt sich und weicht der Bereitschaft für das fesselnde Abenteuer, das unmittelbar vor einem liegt.
Genauso erging es meiner Freundin und mir, als wir frühmorgens am 24.07.2023 den Weg zur Gratkletterei auf die beeindruckende Keschnadel (3386 m ü. M.) antraten. Ein Hauch Abenteuer lag in der Luft, als wir uns dem Aufstieg näherten, voller Vorfreude auf das, was vor uns lag.
Vor dem eigentlichen Einstieg warf ein letzter Blick auf den Wetterradar eine bedrohliche Schatten voraus. Eine Gewitterfront aus dem Westen zog sich zusammen. Dunkle Wolken türmten sich auf und ein elektrisierendes Gefühl von Spannung lag in der Luft.
Trotz unserer Entschlossenheit wurde uns klar, dass die Tour abgebrochen werden musste. Die drohende Gewitterzelle brachte bereits am Morgen Regen, Donner und Blitze.
Mit Respekt verliessen wir den Berg, um an einem sichereren Tag zurückzukehren. Unsere Gipfelträume mussten ruhen, während uns der Berg lehrte, dass die Natur das letzte Wort hat.
Am Ende derselben Woche schien das Wetter freundlicher und stabiler zu sein, weshalb wir uns entschieden, die Tour erneut anzugehen. Üblicherweise beginnt man von einer der beiden Hütten (Kesch-Hütte des SAC oder Chamanna d’Es-cha CAS), um frühzeitig aufbrechen zu können. Doch an diesem besonderen Tag hatten wir beschlossen, vom Parkplatz Es-cha am Albula Pass, unseren Startpunkt zu wählen.
Um 05:00 Uhr brachen wir auf und begannen unseren Aufstieg zur Chamanna d’Es-cha CAS. Während wir voranschritten, wurden wir Zeuge einer der atemberaubendsten Morgen in den Bergen. Als der Tag langsam aus seinem Schlaf erwachte, entfaltete sich vor unseren Augen ein unglaubliches Spektakel aus Farben. Die ersten Sonnenstrahlen zauberten eine Palette von Tönen auf den Himmel und die Landschaft, die die Natur in all ihrer majestätischen Pracht erstrahlen liessen.
Nach einer knappen Stunde Zustiegs erreichten wir die Chamanna d’Es-cha CAS. Doch anstatt uns auszuruhen, setzten wir unverzüglich unsere Tour fort, entschlossen, den Weg zur Porta d’Es-cha anzutreten. Ein kurzer Aufschwung, welcher mit Ketten versehen ist, führte uns hinauf zum beeindruckenden Vadret da Porchabella. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die diese Tour bereithielt – von Schneefeldern über Gletscher bis hin zur anspruchsvollen Gratkletterei – hatten wir unsere umfassende Gletscherausrüstung und Klettergear mit einer Auswahl an mobilen Sicherungsmitteln dabei.
Als wir um 07:30 den tiefsten Punkt vom Gletscher aus Richtung Keschnadel erreicht haben, starteten wir zum zweiten Mal mit der Kraxelei (2a-3a Gelände) bis zur Schulter auf ca. 3230m, bei welcher die eigentlichen 8 Seillängen bis auf die Nadel begann.
Die Seillängen kletterten wir am langen Seil, Schritt für Schritt, bis zur Schlüsselstelle, die eine Bewertung von 5b hatte. Nachdem die vorherigen Seillängen eher im Bereich von 2a bis 4a lagen und relativ einfach waren, wurde hier auf einmal spürbar, wie die Intensität zunahm. Ein Augenblick, der unser Abenteuer auf eine neue Ebene hob.
Franziska wagte sich mit Friends und Exen bewaffnet in die Route und meisterte den steilen Aufschwung sowie den plattigen Ausstieg mit beeindruckender Leichtigkeit. Dann war es an meiner Stelle, im Nachstieg gesichert, die Herausforderung anzunehmen. In meinen Bergschuhen fand ich meinen Weg und war froh, dass ich nicht im Vorstieg war.
Es war wie ein Tanz mit der Wand, eine Symbiose aus Fels, Finger und Sohle des Bergschuhs. Jeder Zug, jeder Griff, war von einer fesselnden Mischung aus Herausforderung und Triumph geprägt. Es sind genau diese Momente, in welchen man sich lebendig am Fels fühlt.
Nach dieser anspruchsvollen Passage hatten wir die Möglichkeit, den verbleibenden Abschnitt bis zur Nadel erneut am langen Seil zu bewältigen. Die Kletterei war hier entspannter, eine Gelegenheit, den Berg in vollen Zügen zu geniessen. Ein Gefühl von Freiheit durchströmte uns, als wir den Blick auf die atemberaubende Landschaft genossen, die sich unter uns ausbreitete. Dennoch war die 4a-Seillänge, die über eine Platte führte, in den Bergschuhen, nicht zu unterschätzen.
Für die Kletterpassagen hatten wir etwa 2,5 Stunden. Jeder Zug, jeder Schritt hatte uns näher an unser Ziel gebracht.
Von der Keschnadel zum Piz Kesch lag nochmals eine gewisse Strecke vor uns, die es zu überwinden gilt – hier muss man zweimal abseilen. Besonders die erste Abseilstelle von der Keschnadel hinunter gestaltet sich nicht ganz einfach. Wir mussten uns ein Stück hinabwagen, um schliesslich von rechtsherum den idealen Abseilpunkt zu erreichen. Es ist eine subtile Mischung aus Navigationskunst und technischem Können, die den weiteren Weg ebnet.
Bis zum Gipfel des Kesch benötigten wir nochmals etwa 2,5 Stunden. Der Weg war nicht immer klar erkennbar, und es galt einfach die einfachste Route zu finden. Die Beschaffenheit des Geländes veränderte sich zusehends – die Felsqualität nahm ab und wir bewegten uns vermehrt über Schutt. Trotz dieser Herausforderungen hatte die Höhe und die beeindruckende Aussicht etwas Fesselndes. Das Gefühl, auf dieser Höhe weiterhin zu kraxeln und dabei die Schönheit der Umgebung zu geniessen, verlieh unserem Unterfangen eine besondere Bedeutung. Der Gipfel schien dadurch noch verdienter und wertvoller zu sein.
Beim Abstieg spürte ich bereits eine leichte Erschöpfung in meinem Kopf. Mir war bewusst, dass noch ein weitere Abseilstelle und ein Abstieg über lockeres Gestein zum Gletscher bevorstanden.
Franziska eilte voran, voller Energie und kaum zu bremsen. Ich vermute, ihre Gedanken waren bereits bei dem köstlichen Kuchen in der gemütlichen Chamanna d’Es-cha des SAC.
Etwa 1,5 Stunden später war es schliesslich so weit. Wir gönnten uns einen Moment der Ruhe auf den Liegestühlen vor der Hütte und liessen das wundervolle Erlebnis auf uns wirken.
Die Anstrengungen des Tages verblassten vor dem Gefühl der Erfüllung. Wir lagen gemütlich in der Sonne und die Erinnerung an den gerade bezwungenen Gipfel zauberte ein zufriedenes Lächeln auf unsere Gesichter.
Sich im Hochgebirge zu bewegen, erfordert viel Erfahrung und eine gute Tourenplanung. Der Piz Kesch und die Keschnadel können auch mit einem lokalen Bergführer geklettert werden.
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